Personen, die sich in der Open-Source-Gemeinschaft engagieren, fragen uns oft, warum der Vivaldi-Browser nicht unter einer allgemeinen Open-Source-Lizenz verfügbar ist. Hier erklären wir, warum.
Für viele scheint es keine Frage zu sein, den Quellcode des Vivaldi-Browsers unter einer einheitlichen Open-Source-Lizenz zu veröffentlichen.
Wir stellen Vivaldi kostenlos zur Verfügung, wir verdienen Geld mit der Suche und an Partnergeschäften, daher sollte es doch kein Problem sein, externen Personen Zugang zum Quellcode zu gewähren und ihnen möglicherweise zu helfen, oder?
Wir haben viel Verständnis für diesen Standpunkt, und wir haben intern regelmäßig mit diesem Problem zu kämpfen, da viele von uns Befürworter von Open-Source sind und Open-Source-Software verwenden.
Aber wie vielen Dingen, wird es viel komplizierter, wenn man einmal genauer hinschaut.
Der Vivaldi-Browser ist teils Open-Source, teils Closed-Source
Bevor wir auf Open-Source eingehen, hier eine kurze Erinnerung daran, wie der Vivaldi-Browser aufgebaut ist.
Vivaldi ist, grob gesehen, in drei Schichten aufgebaut.
Wie Sie und die meisten vielleicht wissen, verwenden wir Chromium als Basis für unseren Browser.
Zusätzlich zu Chromium benutzen wir zusätzlich im Hintergrund eine Menge C++-Code zur Unterstützung unserer Funktionen, wie z.B. Werbeblocker und Notizen.
Diese beiden Schichten unterstützen die zwei verschiedenen Varianten unserer Benutzeroberfläche.
- Auf dem Desktop verwenden wir für die Oberfläche (UI) hauptsächlich HTML+CSS+JS.
- Auf Android ist das UI in Java implementiert und ist größtenteils von dem in Chromium enthaltenen Java-UI abgeleitet (die Lizenz des Chromium-Java-Codes erfordert nicht, dass wir die dort vorgenommenen Änderungen veröffentlichen).
Chromium wird unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht, und alle Änderungen, die wir daran vornehmen, um unsere UI-Schicht und Funktionen zu unterstützen, werden veröffentlicht. Wir veröffentlichen auch unseren gesamten C++-Feature-Backend-Code, als ob er ein Teil der Chromium-Änderungen wäre. Dies erleichtert unseren internen Prozess, da wir so alles – Chromium und unseren C++-Code – in einer geneinsamen Sammlung erstellen können.
Eine Kopie des Vivaldi-Browser Open-Source-Codes ist auf unserer Website verfügbar. Die Änderungen werden unter einer Open-Source-BSD-Lizenz veröffentlicht. Einzelheiten werden in den README- und LICENSE-Dateien innerhalb des Pakets erläutert.
Vivaldi enthält auch Code von Drittanbietern. Die Lizenzen hierfür finden Sie im Quellpaket sowie im installierten Browser, wenn Sie vivaldi://credits aufrufen.
Von den drei Schichten ist nur die UI-Schicht Closed-Source. Das bedeutet, dass etwa 92% des Browser-Codes Open-Source-Code von Chromium, sowie 3% Open-Source-Code von uns kommen und nur 5% unseres UI Closed-Source-Code ist.
Das ist die Marke von Vivaldi
Wenn der Vivaldi-Browser so kurz davor steht, unter einer einheitlichen Open-Source-Lizenz veröffentlicht zu werden, warum ist er es dann nicht?
Die Vivaldi UI ist das eigentliche Merkmal, das den Browser einzigartig macht. Als solches ist sie unser wertvollster Aktivposten in Bezug auf den Code.
Wir veröffentlichen ihn nicht unter einer Open-Source-Lizenz und geben nur verschleierte Versionen davon heraus. Die Verschleierung ist zum Teil dazu da, die Leistung zu verbessern, aber sie ist auch die erste Verteidigungslinie, um zu verhindern, dass andere Parteien den Code übernehmen und zu leicht einen gleichwertigen Browser (eigentlich nur ein Fork) bauen.
Aber sollten wir Forks überhaupt fürchten?
Das ist höchst subjektiv und ich erwarte nicht, dass ich irgendjemanden überzeugen kann. Stattdessen werde ich einfach erklären, wie wir zu dieser Frage stehen.
Aus einer Open-Source-Perspektive sind Forks so ziemlich der wichtigste Punkt. Man forkt die Arbeit von jemand anderem, macht etwas Neues und Cooles daraus, man bekommt Anerkennung für seinen Beitrag, das Projekt, von dem man geforkt hat, bekommt die Anerkennung dafür, dass es dieses Projekt gibt, und vielleicht wird Ihr Beitrag mit in das Projekt aufgenommen und alle sind glücklich.
Aber wie ich bereits angedeutet habe, ist Vivaldi mehr als nur sein Code. Wir haben die Marke und die damit verbundenen Warenzeichen (TM), denen wir Geltung verschaffen müssen, was bedeutet, dass jede Abspaltung (Fork) als ein anderes Produkt gebrandet werden muss. Das ist auch der Grund, warum Chrome und Chromium unterschiedliche Dinge sind.
Das neue Produkt wird dann zu einem unmittelbaren Konkurrenzprodukt, ohne dass für die Erreichung dieses Status ein erheblicher technischer Aufwand betrieben werden muss (es müsste allerdings immer noch vermarktet werden).
Wenn es um große Projekte geht, die es schon lange genug gibt oder bei denen es sich um bekannte Namen handelt, werden die meisten Leute die Fork nicht weiter beachten.
Da Vivaldi jedoch noch klein ist und leicht in den Hintergrund gedrängt werden könnte, macht dies unsere Marke anfälliger, und zwar nicht nur in Bezug auf die Einkünfte.
Wenn ein neues Projekt auf der Grundlage unseres Codes Merkmale beinhaltet, die grundsätzlich gegen unsere Ethik verstoßen (z.B. in irgendeiner Weise den Menschenrechten oder der Umwelt schaden), kann dies die Moral auf unserer Seite zutiefst beeinträchtigen, selbst wenn wir in keiner Weise mit dem Autor dieser Merkmale in Verbindung gebracht werden würden. Obwohl wir in keiner Weise für das neue Projekt verantwortlich wären, könnte eine Erwähnung parallel dazu unseren Ruf schädigen.
Wenn wir durch eine geschlossene und verschleierte Benutzerschnittstelle von Vivaldi diese Art von Sorgen aus dem Weg räumen können, lohnt es sich auf jeden Fall, dies zu tun, auch wenn es bei weitem keine perfekte Lösung ist. Wenn es ums Geschäft geht, müssen wir Entscheidungen treffen, die die Unsicherheit minimieren, und sei es nur aus Selbstachtung von uns als Mitarbeitern.
Auch Open-Source-Prozesse sind aufwändig
Es gibt auch einen pragmatischeren Grund dafür, dass der Vivaldi-Browser keine einheitliche Open-Source-Lizenz annimmt. Ein großer Anreiz für uns, auf Open Source umzusteigen, wäre es, Beiträge von vielen der brillanten Leute dort draußen zu erhalten, die uns unterstützen. Aber selbst das ist angesichts der Größe unseres Teams kein klarer Sieg. Open-Source-Prozesse erfordern die Überprüfung der eingereichten Patches und die Kommunikation mit den jeweiligen Entwicklern.
All dies braucht Zeit, und angesichts unserer Beschränkungen sind wir uns nicht sicher, wie die Vorteile den Zeitaufwand aufwiegen sollen. Im Moment halten wir es für produktiver, uns weiterhin auf die Entwicklung des am besten anpassbaren Browsers zu konzentrieren.
Wie sieht es bei den Sicherheitsvorteilen aus?
Obwohl der größte Teil des sicherheitsrelevanten Codes für den Vivaldi-Browser in Chromium vorliegt, gibt es auch einigen sicherheitsrelevanten Code in der Benutzeroberfläche. Wenn Sie der Meinung sind, dass bestimmte sicherheitsrelevante Teile der Benutzeroberfläche offengelegt werden sollten, um Vivaldi vertrauenswürdiger zu machen, lassen Sie es uns wissen, und wir werden in Erwägung ziehen, sie als Teil unserer Code-Bundles herauszubringen, so dass Sie sich selbst davon überzeugen können.
Was passiert, wenn Vivaldi stirbt?
Dies ist eine völlig berechtigte Sorge. Nicht wenige von uns bei Vivaldi sind nach wie vor frustriert darüber, dass das Presto-basierte Opera im Grunde genommen nicht weiter existieren konnte, nachdem Opera Software beschlossen hatte, auf eine Chromium-basierte Implementierung umzusteigen. Ich persönlich habe viel Zeit damit verbracht, am Presto-basierten Opera zu arbeiten, ihn zu verbessern und zu reparieren, und ja, ich glaube, wenn er Open Source gewesen wäre, hätte er bis heute fortbestehen können und die ganze Arbeit wäre nicht umsonst gewesen.
Wäre es also nicht gut, Vivaldi allein schon aus diesem Grund zu Open Source zu machen? Ja, das wäre wirklich gut. Darüber sind sich im Moment so ziemlich alle Mitarbeiter von Vivaldi einig. Auf der anderen Seite wachsen wir, und wir sind nicht pessimistisch, was unsere Zukunft betrifft. Letzten Endes ist dies zwar etwas, was wir angehen wollen, aber es ist im Moment keine zwingende Notwendigkeit dafür gegeben.
Es gibt kein Zurück
Dies ist der wichtigste Punkt, einer der Schlüssel zu dem ganzen Komplex.
Man kann nicht antesten, ob Open Source etwas für einen ist und dann wieder alles schließen, wenn sich herausstellt, dass Open Source nichts für einen selbst ist. Code, der unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht wurde, bleibt auf ewig offen. Die einzige Möglichkeit, dies zu umgehen, besteht darin, den veröffentlichten Code obsolet zu machen, und das erfordert einen erheblichen Zeitaufwand. So schön Open-Source-Lizenzen auch sein mögen, ist dies ein ungünstiger Aspekt von ihnen. Wenn man sich nicht sicher ist, ob Open Source der richtige Weg ist, ist es also aus geschäftlicher Sicht die sichere Lösung, es gar nicht erst zu versuchen.
Modifikationen von Vivaldi, um es weiter anzupassen
Wenn Sie sich nicht an den Einzelheiten der Open-Source-Argumente stören und nur daran interessiert sind, den Code bearbeiten zu können, um den Vivaldi-Browser an Ihre Vorstellungen anzupassen (und über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen), können Sie dies mit unserer Desktop-Version tun.
Wenn der verschleierten Code für Sie einen Sinn ergibt und Sie ihn für den persönlichen Gebrauch modifizieren möchten, können Sie einfach den minimierten Javascript-Code direkt bearbeiten.
Dies ist einfacher als in anderen Browsern, die alle einen vollständigen Kompilierungsschritt benötigen, um eine Änderung vorzunehmen.
Auch wenn unsere Lizenz dies formell nicht zulässt, begrüßen wir dies, und wir erlauben den Benutzern, diese Code-Änderungen über unsere Foren zu verbreiten.
Sollte der Vivaldi-Browser Open-Source sein?
Wie Sie hoffentlich gesehen haben, ist dies keine einfache Frage.
Es gibt zwar Argumente, die in beide Richtungen weisen, aber wir sind zufrieden mit dem, was wir jetzt anbieten können – Software, die frei ist, einschließlich eines großen Open-Source-Lizenzanteils und mit nur einer begrenzten Menge an geschlossenem, aber modifizierbarem Code.
Daran werden wir so lange festhalten, wie wir der Meinung sind, dass es wertvoll ist, sowohl das Erscheinungsbild von Vivaldi als auch die Identität unserer Marke zu schützen. Dies ist etwas, das wir immer wieder neu überdenken werden (wir jubeln insgeheim dafür, aber das haben Sie uns nicht sagen gehört).
Foto von Markus Spiske auf Unsplash.